Diskussion: Datenmanagementplan
Planbarkeit versus Offenheit
Idealerweise sollte ein Datenmanagementplan (DMP) vor bzw. zu Projektbeginn erstellt werden und so präzise wie möglich den Umgang mit etwaigen Forschungsdaten im Projekt dokumentieren und festlegen. Die gut gemeinte Merkregel „always remember to plan ahead“ lässt sich im Kontext ethnografischer Forschung jedoch nur schwer umsetzen. Der – zumindest in der ersten Feldphase – explorative Charakter ethnografischer ForschungEthnografische Feldforschung bezeichnet die Erhebung empirischer Daten vor Ort, d. h. in konkreten sozialen Lebenswelten, im Gegensatz zu Labor- oder Archivforschung oder standardisierten Fragebogenstudien. Die in der Regel langfristige Teilnahme der Ethnograf*innen am Alltag der untersuchten Gruppe ermöglicht die direkte Beobachtung sozialer Praktiken und Prozesse und damit Aussagen über tatsächliches Verhalten. Bedeutsam ist, dass die Forschenden immer Teil der Situationen im Feld sind und die ihnen zugeschriebene sowie von ihnen eingenommene soziale Position wesentlich Einfluss auf ihre Daten hat, d. h. auf das, was sie erfassen und erkennen können. Weiterlesen erfordert eine grundsätzliche Offenheit für in der Forschungsplanung unvorhersehbare Entwicklungen sowie Thematiken. Häufig erweisen sich ursprüngliche Fragestellungen im Feld als irrelevant oder geplante Methoden sind nicht durchführbar. Ethnograf*innen sind also ständig genötigt, ihre Vorgehensweisen sowie Themenstellungen den sozialen Realitäten im Feld anzupassen. So steht die ethnografisch wünschenswerte charakteristische Offenheit und Flexibilität des ForschungsprozessesEine Haltung methodologischer Offenheit ist in der ethnografischen Forschung erforderlich, um sich der Dynamik sozialer Prozesse anpassen und auf nicht vorhersehbare Ereignisse im Feld reagieren zu können. Ein festgelegtes, unveränderliches Bündel an Forschungsmethoden wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Darüber hinaus zeichnet sich ethnografische Forschung auch durch die Offenheit gegenüber dem Forschungsmaterial nach der Datenerhebung aus: So sollen immer wieder neue theoretische Zugänge zum Material hergestellt werden, um dieses konstruktiv und vielschichtig interpretieren zu können. Weiterlesen der wissenschaftspolitischen Forderung nach einer vorausschauenden Planung des Forschungsdatenmanagements und der systematischen Anwendung von Datenmanagementplänen als Leitfaden während des Forschungsprozesses entgegen.
Auch ist zu Beginn eines ethnografischen Projektes nur schwer zu bestimmen, welche konkreten DatentypenDie Begriffe Dateitypen und Dateiformate werden meist synonym verwendet. Es wird zwischen proprietären und offenen Dateiformaten unterschieden. Für proprietäre Formate braucht man meist eine kostenpflichtige Software, da diese von anderen Programmen nicht zu öffnen oder zu lesen sind, wie etwa Powerpoint für .ppt- oder Photoshop für .psd-Dateien. Offene Formate wie .rft oder .png dagegen basieren auf Standards und können von vielen Programmen geöffnet werden. Weiterlesen entstehen, welche Nachnutzungsszenarien denkbar sind und welche datenschutzrechtlichenDatenschutz beinhaltet Maßnahmen gegen ein unrechtmäßiges Erheben, Speichern, Teilen und Nachnutzen von personenbezogenen Daten. Der Datenschutz stützt sich auf das Recht der Selbstbestimmung von Individuen in Bezug auf den Umgang mit ihren Daten und ist in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), dem Bundesdatenschutzgesetz und in den entsprechenden Gesetzen der Bundesländer verankert. Ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Weiterlesen und forschungsethischenForschungsethik befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Forschenden, Forschungsfeld und Beforschten. Dabei wird dieses Verhältnis vor dem Hintergrund der durch die Forschung hergestellten Vulnerabilitäten und Machtasymmetrien kritisch reflektiert (Unger, Narimani & M’Bayo, 2014, p.1-2). Gerade wegen der Prozesshaftigkeit und Offenheit einer ethnografischen Forschung treten forschungsethische Fragen im gesamten Forschungsprozess in verschiedener Weise auf. Sie variieren je nach Forschungskontext und Forschungsmethoden. Forschungsethik hört allerdings nicht mit dem Verlassen des Feldes auf, sondern umfasst ebenfalls Fragen der Datenarchivierung, des Datenschutzes sowie des Teilens der Forschungsdaten mit den Forschungsteilnehmenden (siehe z. B. Ethikpapiere der DGSKA oder das Positionspapier zur Archivierung, Bereitstellung und Nachnutzung von Forschungsdaten der dgv). Weiterlesen Herausforderungen sich im Detail ergeben werden (Demmer et al., 2020, pp. 43).
Entsprechend kann ein DMP im Kontext ethnografischer Forschung nicht als ein Formular betrachtet werden, welches zu Beginn eines Projektes ausgefüllt und „abgeheftet“ wird. Für die Sozial- und Kulturanthropologie sind lediglich grob strukturierte Datenmanagementpläne sinnvoll, die als „lebendes Dokument“ angelegt sind und an veränderte Vorgehensweisen und Arbeitsabläufe im Projekt angepasst werden können. Ein entsprechend flexibler DMP unterstützt den Umgang mit Forschungsdaten und fördert die Reflexion des Erhebungs-, Dokumentations- und Kurationsprozesses von Daten und kann sich somit positiv auf die wissenschaftliche Praxis auswirken.
Literatur
Demmer, C., Engel, J., Fuchs, T. (2020). Erkenntnis, Reflexion und Bildung – zur Frage neuer Formen der Archivierung, Bereitstellung und Nachnutzung von Forschungsdaten. Erziehungswissenschaft, 31 (2020) 61, 39-49. http://doi.org/10.25656/01:21523