Diskussion: Archivierung
Wie ersichtlich wurde, bleiben noch einige offene Fragen in Bezug auf die Archivierung von Daten bestehen. So sind außerdem auch Fragen zum UrheberrechtDas Urheberrecht (UrhG) schützt bestimmte geistige Schöpfungen (Werke) und Leistungen. Unter Werke fallen Sprachwerke, Lichtbild-, Film- und Musikwerke sowie Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen (§2 UrhG). Die künstlerischen, wissenschaftlichen Leistungen von Personen oder die getätigte Investition gelten dagegen als schützenswerte Leistungen (Leistungsschutzrecht). Der*die Urheber*in ist berechtigt, das Werk zu veröffentlichen und zu verwerten. Weiterlesen aufgrund juristischer Graubereiche nicht immer einfach rechtssicher zu beantworten (Wünsche et al., 2022, p. 27):
- Wem gehören Daten, wenn diese meist in Kollaboration und im kommunikativen Austausch gewonnen werden? Wer ist dann als urhebende Person anzusehen? Und wer bestimmt den genauen weiteren Umgang mit den Forschungsdaten?
Auch der Aspekt der Mehrsprachigkeit in Archiven ist ein zentrales und bisher ungelöstes Problem. Denn gerade Sozial- und Kulturanthropolog*innen dokumentieren im Feld oft in mehreren Sprachen, was für die Archivierung- und Nachnutzungsmöglichkeiten enorm herausfordernd ist:
- In welcher Sprache soll archiviert werden? In der Muttersprache des/der Forschenden? In der Sprache der untersuchten Region (und damit für die Forschungsteilnehmenden), was voraussetzen würde, dass es entsprechende lokale RepositorienEin Repositorium bildet einen Ort der Aufbewahrung wissenschaftlicher Dokumente. In Online-Repositorien werden Publikationen digital gespeichert, verwaltet und mit persistenten Identifikatoren versehen. Die Katalogisierung vereinfacht die Suche und Nutzung von Publikationen und Autor*innen. In den meisten Fällen sind Dokumente in Online-Repositorien uneingeschränkt und offen zugänglich (Open Access). Weiterlesen gibt, oder soll in Englisch als internationaler Wissenschaftssprache archiviert werden? In jedem Fall wäre ein erheblicher Übersetzungsaufwand erforderlich, der mit enormen finanziellen und zeitlichen Kosten verbunden wäre.
Diese Fragen und die zuvor beschriebenen Prozesse bedenkend schließen wir, dass die Entscheidung, ob und welches Material archiviert werden kann, jeder forschenden Person in Rücksprache mit ihren Forschungsteilnehmenden selbst überlassen und nicht förderrelevant sein sollte. Außerdem sollten Vorüberlegungen und ggf. vorbereitende Schritte bereits in das methodische Vorgehen integriert werden und in enger Zusammenarbeit mit Forschungsteilnehmer*innen erfolgen. Zentrale Aspekte, die es zu beachten gilt, sind:
- die Aufbereitung und Auswahl von Daten für eine Archivierung und mögliche Nachnutzung und
- die Fragestellung, welche Öffentlichkeit adressiert werden soll.
Idealerweise sollte die Entscheidung für eine Archivierung von Daten in entsprechenden Repositorien bereits vor der empirischen Forschung fallen, so dass dieser Aspekt bereits bei der Datenerhebung berücksichtigt und mit den Forschungsteilnehmenden abgestimmt werden kann und zudem Ressourcen für die Archivierung geplant und mit beantragt werden. Da aber in ethnografischen ForschungenEthnografische Feldforschung bezeichnet die Erhebung empirischer Daten vor Ort, d. h. in konkreten sozialen Lebenswelten, im Gegensatz zu Labor- oder Archivforschung oder standardisierten Fragebogenstudien. Die in der Regel langfristige Teilnahme der Ethnograf*innen am Alltag der untersuchten Gruppe ermöglicht die direkte Beobachtung sozialer Praktiken und Prozesse und damit Aussagen über tatsächliches Verhalten. Bedeutsam ist, dass die Forschenden immer Teil der Situationen im Feld sind und die ihnen zugeschriebene sowie von ihnen eingenommene soziale Position wesentlich Einfluss auf ihre Daten hat, d. h. auf das, was sie erfassen und erkennen können. Weiterlesen nicht im Voraus völlig feststeht, zu welchen Bereichen Daten erhoben werden und inwieweit diese – eingedenk aller datenschutzrechtlichen Bestimmungen und ethischer Aspekte – für eine Archivierung und Nachnutzung geeignet sind, wird sich dies in der Praxis selten realisieren lassen. Vor allem bei sensiblen DatenEinen eigenen Teilbereich innerhalb der personenbezogenen Daten bilden die sog. besonderen Kategorien personenbezogener Daten. Ihre Definition geht auf den EU-DSGVO Artikel 9 Abs. 1, 2016 zurück, der besagt, dass es sich hierbei um Angaben über Weiterlesen muss darauf geachtet werden, inwieweit Datenarchive ethische Aspekte berücksichtigen und einen kontrollierten Zugang zu den Datensätzen garantieren.
Literatur
Wünsche, S., Soßna, V., Kreitlow, V. & Voigt, P. (2022). Urheberrechte an Forschungsdaten – Typische Unsicherheiten und wie man sie vermindern könnte. Ein Diskussionsimpuls. Bausteine Forschungsdatenmanagement. Empfehlungen und Erfahrungsberichte für die Praxis von Forschungsdatenmanagerinnen und -managern, Nr. 1/2022 (26-42). https://doi.org/10.17192/bfdm.2022.1.8369