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Methoden: Aufzeichnungsformate und -strategien

Grundsätzlich gilt es, beim Anfertigen von fieldnotes zu unterscheiden, was beobachtet (gesehen und gehört) und was erfragt wurde. D. h. welche Informationen hat die Ethnografin/der Ethnograf einer sozialen Situation ohne eigenes Zutun durch reines Zusehen und Zuhören entnommen und welche Informationen sind durch Nachfragen gewonnen worden.
Weiter ist neben Datum und Ort stets zu verzeichnen, welche Personen an dem jeweiligen Geschehen beteiligt waren und wie der/die Ethnograf*in in dem jeweiligen Geschehen positioniert war. Letzteres ist wichtig, um einschätzen zu können, inwieweit die Situation durch das eigene Verhalten beeinflusst wurde. Hinweise zum Anfertigen von fieldnotes finden sich in den meisten Methodenhandbüchern (z. B. deWalt & deWalt, 2011; Beer & König, 2020).

Während Sozial- und Kulturanthropolog*innen früher ihre Aufzeichnungen primär mit Stift, Papier und allenfalls mechanischen Schreibmaschinen machten, stehen ihnen heute mit leicht transportablen Laptops, die sich auch mit Solarstrom betreiben lassen, sowie Smartphones, digitalen Stiften mit Aufnahmefunktion, Spracherkennungssoftware und Mapping-Programmen etc. ganz andere technische Möglichkeiten zur Verfügung. So lassen sich scratchnotes mit dem digitalen Stift festhalten, Tagesprotokolle gleich in den PC tippen (oder auch sprechen) und – sofern es die entsprechenden Netzverbindungen gibt – in einer Cloud sichern. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass Dateien in einer Cloud nicht hundertprozentig sicher vor externen Zugriffen sind (vgl. Artikel zur Datenspeicherung und Datensicherheit). Jede Aktivität im Internet hinterlässt eine Spur, weswegen dringend davon abzuraten ist, Feldaufzeichnungen in Clouds zu speichern, auch nicht in den Clouds der eigenen Universität. Stattdessen sollte auf externe Festplatten und USB-Sticks zurückgegriffen werden.

Je nach Gegebenheiten kann aber auch ein Laptop weniger ideal sein, etwa aufgrund von Witterungsverhältnissen oder weil so ein Gerät Begehrlichkeiten weckt. (So gibt es etliche Erzählungen über Laptops, die versandet sind, in der Sonne zu heiß, in Regenzeiten zu feucht oder auch entwendet wurden). Da bieten sich dann eher wieder Stift und Papier an oder die klassische Reiseschreibmaschine.
Nicht ratsam ist es auch, Forschungsaufzeichnungen ausschließlich mündlich zu machen, also auf ein Aufnahmegerät zu sprechen und als Audiodatei abzuspeichern. Hierdurch wird ein wichtiger Reflexionsschritt ausgelassen: Das wesentlich zeitintensivere Eintippen oder auch handschriftliche Aufschreiben ermöglicht eine umfassendere gedankliche Auseinandersetzung, ein Pausieren, Sortieren und Suchen nach passenden Formulierungen, womit das Notierte besser im Gedächtnis bleibt, zugleich aber auch Unklarheiten deutlich werden, was wiederum für das weitere Vorgehen im Feld von großer Bedeutung ist. Neurowissenschaftlichen Untersuchungen zufolge ist das handschriftliche Aufzeichnen diesbezüglich auch dem Eintippen in den PC überlegen, was unter anderem mit der räumlichen Dimension des Schreibens auf Papier zusammenhängt (z. B. Mueller & Oppenheimer, 2014).

Systematische und standardisierte Erhebungen

Diese täglichen Forschungsprotokolle oder fieldnotes sind aber nur ein Element der Aufzeichnungsformate, die Ethnograf*innen in Abhängigkeit von ihren jeweils eingesetzten Methoden verwenden. Wichtig ist allerdings, sich klarzumachen, dass sie eine absolute Notwendigkeit sind und das Herzstück ethnografischer Arbeit bilden, auch wenn daneben noch andere Aufzeichnungsformate zum Einsatz kommen, die keineswegs alle schriftlicher Natur sind. So spielen die schriftlichen fieldnotes z. B. auch bei videografischen Forschungsprojekten (z. B. Wetzels, 2021) oder bei PhotoVoice-Studien (z. B. Röttger-Rössler & Seise, 2023; Röttger-Rössler et al., 2019) eine zentrale Rolle, da sie wichtige Informationen zum sozialen Kontext, zu besonderen Ereignissen und zur Position der Forscherin/des Forschers enthalten. Auf die methodischen Herausforderungen, die mit audio-visuellen Erhebungsmethoden verbunden sind, können wir hier nur verweisen (z. B. Tuma et al., 2013). Besondere Forschungssituationen bilden auch Online-Ethnografien, auf die im Artikel Online-Ethnografie noch gesondert eingegangen wird.

Im Rahmen der klassischen teilnehmenden Beobachtung verwenden Sozial- und Kulturanthropolog*innen je nach Forschungsfrage noch zahlreiche weitere Methoden, von denen etliche quantitativer Natur sind wie z. B. demografische Erhebungen, HaushaltssurveysEin Haushaltssurvey ist eine Überblicksstudie mittels standardisierter Befragungen eines repräsentativen Samples oder einer Zufallsstichprobe zu den Zusammensetzungen der Haushalte in einer Untersuchungsregion (siehe: Survey/Survey-Daten). In der Sozial- und Kulturanthropologie werden die Begriffe Survey, Haushaltssurvey und Zensus oft auch synonym gebraucht. Weiterlesen, linguistische Erhebungen, Messungen von Feldgrößen und Ernteerträgen oder systematische Beobachtungen wie z. B. ZeitallokationsstudienHier handelt es sich um die systematische Erhebung der Zeit, die Personen für bestimmte Aufgaben und Tätigkeiten aufwenden. Mittels Zeitallokationsstudien wird untersucht, wie Menschen in verschiedenen sozialen und kulturellen Kontexten ihre Zeit budgetieren, z. B. wie die Arbeitsteilung im re-/produktiven Bereich zwischen den Geschlechtern und Generationen geregelt ist: Wieviel Zeit am Tag verbringen Mütter, Väter, ältere Geschwisterkinder, Großeltern u. a. täglich mit der Betreuung von Kleinkindern, wieviel Zeit bringt wer für welche ökonomischen Tätigkeiten sowie andere Fürsorgearbeit oder nachbarschaftliche Kontakte etc. auf. Es gibt verschiedene Methoden zur Erfassung der Zeitbudgetierung, die quantitative und replizierbare Datensets erbringen. Weiterlesen. Mit diesen spezifischen Methoden sind jeweils auch besondere Dokumentationsmodi verbunden, die es stets sensibel an den jeweiligen kulturellen Kontext sowie die Forschungsbedingungen anzupassen gilt.

Literatur

  • Beer, B. & König, A. (Eds.).( 2020). Methoden ethnologischer Feldforschung. Ethnologische Paperbacks. (3rd ed.). Dietrich Reimer Verlag.

  • DeWalt, K. M. & DeWalt, B. R. (2011). Participant Observation: A Guide for Fieldworkers. Lanham, Md: Rowman & Littlefield.

  • Mueller, P. A., & Oppenheimer, D. M. (2014). The pen is mightier than the keyboard: Advantages of longhand over laptop note taking. Psychological Science, 25, 1159–1168. doi:10.1177/0956797614524581

  • Röttger-Rössler, B. & Seise, F. (2023). Tangible pasts: Memory practices among children and adolescents in Germany, an affect-theoretical approach. In Ethos 51 1–96-110. https://doi.org/10.1111/etho.12377

  • Röttger-Rössler, B., Scheidecker, G. & Lam A. T. A. (2019). Narrating visualized feelings: Photovoice as a tool for researching affects and emotions among school students. In Analyzing Affective Societies. Methods and Methodologies. (p. 78-97). London, New York: Routledge Studies in Affective Societies. https://doi.org/10.4324/9780429424366

  • Tuma, R.; Schnettler, B. & Knoblauch, H. (2013). Videographie. Einführung in die interpretative Videoanalyse sozialer Situationen. Wiesbaden. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18732-7

  • Wetzels, M. (2021). Affektdramaturgien im Fußballsport. Die Entzauberung kollektiver Emotionen aus wissenssoziologischer Perspektive. Bielefeld: transcript Verlag. https://doi.org/10.1515/9783839455081

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