Anwendungsbeispiele: Rechte und Lizenzen
Hier sind drei verschiedene Anwendungsbeispiele von Publikationen, bei denen jeweils die Autor*innen, Lizenzen und Lizenzangaben unterschiedlich angegeben wurden (dafür auf den Link klicken).
Beispiel 1: Verschiedene Beispiele von Veröffentlichungen
- Röttger-Rössler, B. & Franziska Seise, F. (2023). Tangible pasts: Memory practices among children and adolescents in Germany, an affect-theoretical approach. Ethos 51, 96–110. https://doi.org/10.1111/etho.12377
- Imeri, S. & Rizzolli, M. (2022). CARE Principles for Indigenous Data Governance. o-bib. Das offene Bibliotheksjournal, 9 (2), 1-14. https://doi.org/10.5282/o-bib/5815
- Dukes, D., Abrams, K., Adolphs, R. et al. (2021). The rise of affectivism. Nature Human Behaviour 5, 816–820. https://doi.org/10.1038/s41562-021-01130-8
Beispiel 2: Gespräch der beiden Sozial- und Kulturanthropologinnen Anita von Poser und Birgitt Röttger-Rössler über die Veröffentlichung von Fotos mit erkennbaren Personen in ethnologischen Forschungskontexten
als Audio
Quelle: Gespräch zu Veröffentlichungen von Fotos mit B. Röttger-Rössler und Anita von Poser, lizenziert unter CC BY-NC-ND 4.0
Birgitt Röttger-Rössler: Das Gesetz zum Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Fotografie besagt ja, dass Fotos nur mit Zustimmung der abgebildeten Personen veröffentlicht werden dürfen. Was viele nicht wissen ist, dass es sich hier um ein sehr altes Gesetz von 1907 in der Erstfassung handelt. In unserem Fach sind dennoch jahrzehntelang immer wieder Fotos von Menschen aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt publiziert worden, die dieser Publikation nicht ausdrücklich und nachweislich zugestimmt haben. Verlage haben früher auch nicht darauf bestanden. Mittlerweile wird dieses Gesetz allerdings sehr ernst genommen, was mit der Digitalisierung und den damit einhergehenden Möglichkeiten der unkontrollierbaren Verbreitung und Zirkulation von Bildern zusammenhängt. Aber natürlich sorgt auch die 2016 verabschiedete Datenschutzgrundverordnung für eine erhöhte Sensibilität bezüglich der Persönlichkeitsrechte. In der Sozial- und Kulturanthropologie hat sich mittlerweile eine Haltung etabliert, die das Veröffentlichen von Bildern auf denen Personen zu erkennen sind, ablehnt. Auch wenn es sich im Rahmen des rechtlich Möglichen bewegt, also wenn es sich um Bilder handelt, auf denen Personen zum Beispiel nur als Beiwerk in einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen. Zu diesem Thema spreche ich hier mit Anita von Poser. Anita von Poser ist Professorin für Sozial- und Kulturanthropologie an der Martin-Luther-Universität in Halle. Sie hat langfristige, klassische Feldforschung in Papua Neuguinea in einem Dorf am Ramu River durchgeführt, aber auch, vor allem in den letzten Jahren, Feldforschung im transnationalen Feld des vietnamesischen Berlin.
Anita, Porträtfotos von Forschungsteilnehmenden zu veröffentlichen ist ja inzwischen fast schon zu einem Tabu in unserem Fach geworden. Nun hast du in deiner 2016 erschienenen Monographie „Foodways and Empathy“ mehrere Fotos von Personen veröffentlicht, die du auch mit ihrem Klarnamen nennst. Was steckt dahinter?
Anita von Poser: Ja Birgitt, vielen Dank für deine Frage. Vielleicht ganz kurz zum Kontext: Ich habe meine Forschung, wie du weißt, zwischen den Jahren 2004 und 2010 durchgeführt und 2013 erschien das Buch zum ersten Mal und dann gefolgt von nochmal einer Paper Back Ausgabe 2016. Und zu dieser Zeit wurden, die von dir sehr richtig gerade angesprochenen Diskussionen inklusive dieser gesetzlichen Regelungen und Bestimmungen, meines Wissens, so breit noch nicht geführt. Dennoch hab ich mir damals aber schon aus forschungsethischen Gründen selbstverständlich sehr viele Gedanken darüber gemacht, welche Fotos ich in „Foodways and Empathy“ abbilde, beziehungsweise überhaupt abbilden kann und darf und habe das daher auch schon früh im Feld mit meinen Forschungspartnerinnen und meinen Forschungspartnern vor Ort in Papua Neuguinea besprochen. Und hier bekam ich eigentlich stets eine sehr klare Antwort: Natürlich sei es wichtig, dass die Lesenden dieser Arbeit wüssten, wer genau sich um mich gekümmert habe, wer für mein Wohlergehen gesorgt habe und das inkludiert auch, dafür zu sorgen, dass die Forschung überhaupt gelingen konnte. Und ich sollte auch signalisieren, wo genau mein Platz im lokalen sozialen Gefüge zu verorten sei. Abbildungen dieser, ja wichtigen Personen und auch der grundlegenden sozialen Beziehungen, über die diese Bilder ja auch etwas aussagen, nicht mit aufzunehmen, das wäre einer absoluten Geringschätzung gleichgekommen. Dass ich Personen mit ihren Klarnamen angegeben habe, sollte also ganz klar als ein Zeichen der Wertschätzung verstanden werden, die, aus den spezifischen, lokalen Perspektiven und Verständnissen heraus als soziokulturell akzeptabel galt. Zumindest in der Zeit, in der ich meine Forschung durchgeführt hatte. Ich denke, dass in den momentan geführten Diskussionen, mehr Raum gegeben werden sollte für die Diversität von Haltungen und Meinungen zu dieser Thematik, die je nachdem, wo und mit wem wir forschen, durchaus unterschiedlich ausfallen können. Und die wir, als Ethnolog*innen und Sozial- und Kulturanthropolog*innen selbstverständlich auch ernst nehmen. Vielleicht noch zu meinen Abbildungen: Ich habe selbstverständlich in meinen Beschreibungen spezifischer, sozialer Details und Ereignisse stets auf die Anonymisierung geachtet. Auch das hatte ich mit meinen Forschungspartnern und Forschungspartnerinnen besprochen. Ebenso zeigen die Abbildungen, die ich über die reinen Porträtfotos hinaus ausgewählt habe, Szenen, die eigentlich öffentliches Handeln und Verhalten und auch teils ritualisiertes Verhalten zeigen. Und während meiner langzeitlichen Feldforschung habe ich natürlich auch an teils sehr intimen und privaten Begebnissen teilgenommen, aber solche Momente hab ich zum Beispiel sehr bewusst nicht abgebildet und habe diese Entscheidungen eigentlich immer gemeinsam mit meinen Gesprächspartner*innen und Forschungspartner*innen entschieden.
Birgitt Röttger-Rössler: Ja danke für diese Ausführungen Anita, es sind ja de facto ethische Aspekte, und die dir wichtige und sichtbare Anerkennung deiner Forschungspartnerinnen und Partner der Familien und der Personen die dich aufgenommen, begleitet und unterstützt haben. Musstest du damals dem Verlag gegenüber nachweisen, dass diese ihre Zustimmung gegeben haben zu den Bildern oder war das noch nicht erforderlich?
Anita von Poser: Also hier kann ich eine ganz knappe Antwort geben: Nein, der Verlag bat lediglich darum zu bestätigen, dass ich im Falle der Verwendung von Fotos, die von einer anderen Person stammten, dies dann auch so angebe und das hab ich getan, ich glaube es sind zwei Abbildungen in meinem Buch. Die eine Abbildung hatte ein Forschungspartner von mir gemacht und die andere Abbildung mein Partner, der auch Ethnologe ist und damals zu Besuch bei mir im Feld war. Vom Verlag hatte ich damals keine Frage dazu, ob die Abgebildeten ihr Einverständnis dazu gegeben hatten. Wie gesagt, ich hatte dir ja gerade erläutert, für mich selbst, und ich denke das ist auch für das Fach der Sozial- und Kulturanthropologie, wenn wir lehren und vermitteln, wie wir methodisch vorgehen, forschungsethisch ganz zentral diese Entscheidung, ob Fotos ja, nein, wer und was darauf zu sehen ist, dass das natürlich mit unseren Gesprächspartner*innen im Feld gemeinsam entschieden wird.
Birgitt Röttger-Rössler: Nun wird das natürlich immer mehr formalisiert, indem jetzt eben von Verlagen gegenwärtig einfach dann entsprechende Zustimmungen aufgrund dieser Datenschutzgrundverordnung verlangt werden, die nicht immer einfach zu geben sind. Einige Kollegen und Kolleginnen sind dazu übergegangen, sich das einfach dann quasie verbal aufnehmend … Audio aufgezeichnet, diese Zustimmungen zu holen, weil ja auch das Übersenden oder Ausfüllen von Formularen nicht so einfach ist. Ich glaube, das hängt wirklich damit zusammen, dass natürlich sehr viele unserer Arbeiten jetzt auch über Open Source zur Verfügung stehen und enorm zirkulieren und wir wirklich gar keine Kontrolle mehr über die Verwendung dieser Bilder haben, was etwas anderes ist, als in Büchern, die man ausleihen musste, kaufen musste, in Bibliotheken einsehen. Und wenn man die Bilder verwenden musste, dann eben kopieren. Also da war dann doch noch einfach durch die Schwierigkeit, die in Umlauf zu bringen, ein gewisser Schutz. Ja, ich hätte vielleicht nur noch so eine letzte Bemerkung, denn aufgrund dieser ganzen verständlicherweise und notwendigerweise erwachten Sensibilitäten, registriere ich doch zumindest eine zunehmende Unsicherheit im Fach bezüglich der Veröffentlichung von Fotografien, auf denen Menschen zu sehen sind, und auch wenn diese eventuell zustimmen oder wenn diese garantiert zugestimmt haben. Dieser Haltung stehe ich etwas ambivalent gegenüber. Also Bilder erzählen uns ja viel, sie sprechen, sie stellen Zugang her. Gerade auch Bilder von Personen, gerade auch Porträts. Und verpixelte Gesichter entmenschlichen auf eine bestimmte Art und Weise. Müssen wir uns nun aufgrund der geänderten und unkontrollierten Verbreitungsweise von Fotografien diesem Medium, also dem Foto von Personen in unseren Veröffentlichungen verabschieden?
Anita von Poser: Also, ich bin ganz deiner Meinung, Bilder haben eine Wirkmächtigkeit. Sie erzählen auf ihre spezifische Weise etwas, das wir mit Worten nicht immer unbedingt so gut fassen können. Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass genau das jetzt geschieht, was du eben dargelegt hast, eine Art Unkontrollierbarkeit, das ist sehr bedauerlich. Aber ob wir wirklich auf die Wirkmächtigkeit von Bildern und was die eben auch aussagen können, verzichten sollten, ich denke das ist ein Prozess, den wir mit unseren Forschungspartner*innen weiter klären müssen. Also das können wir nicht einfach so als die Forschenden alleine entscheiden. Ich denke das muss gemeinsam mit den Individuen, mit den Kollektiven, mit den Gemeinschaften und Gesellschaften, in und mit denen wir uns bewegen dürfen, mit denen muss das besprochen werden. Bestimmt ein heikler Prozess, aber der sollte zu weiterem Dialog führen.
Birgitt Röttger-Rössler: Danke Anita! Ich glaube deine letzten Worte sind sehr wichtig, das ist ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Ich danke dir sehr herzlich für das Gespräch.
Anita von Poser: Ich danke dir auch sehr, liebe Birgitt.