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LerneinheitInformierte Einwilligung

Übung 4

Folgendes Beispiel bildet den Kontext aus einem ethnografischen Forschungsfeld aus dem Jahr 2019 ab. Lesen Sie den Forschungskontext und überlegen Sie:

  • Welche Herausforderungen könnten ggf. beim Einholen einer Einwilligung in schriftlicher Form auftreten?
    Und welche bei einer mündlichen?
  • Welche Form der Einwilligung würden Sie in diesem Beispiel präferieren und warum?
  • Und was denken Sie, welche Form haben die Forschenden gewählt?

Angela Benner und Julian Löhe forschten im Jahre 2019 im Rahmen einer qualitativen Interviewstudie zum Thema Tod und Sterben mit hochaltrigen Menschen. Ihre Forschungsteilnehmer*innen waren zwischen sechzig und hundert Jahren alt und lebensbedrohlich oder -verkürzend erkrankt. Die emotional aufgeladenen und sensiblen Forschungsschwerpunkte bildeten bei dieser Studie also die Themen Krankheit, Altern und Sterben, was eine erhöhte Vertrauensbildung durch Wertschätzung, Anerkennung, Respekt und emotionale Nähe zwischen den Forschenden und den Teilnehmenden erforderte. Ein besonders behutsamer Umgang mit den beforschten Personen in Bezug auf ihre Nicht-Schädigung und die Vermeidung eines Auslösens von negativen Prozessen bei ihnen war dabei zentral.


Benner und Löhe entschieden sich für eine schriftliche Einwilligungserklärung. Die Unterzeichnung einer offiziellen informierten, schriftlichen Einwilligung (die Informationen zum Forschungsvorhaben, eine Erklärung zur Bewahrung der Anonymität und des Datenschutzes, und das Einverständnis für die Aufnahme der Interviews enthielt) löste in diesem Falle jedoch nicht nur Irritationen, Misstrauen und Verunsicherung bei den Informant*innen aus, sondern hemmte laut Benner und Löhe auch eine „fruchtbare Gesprächsathmosphäre“, die gewollte Herausbildung von emotionaler Nähe und die Vertrauensbildung. Auch war es einigen Personen krankheitsbedingt (z. B. durch Erblindung oder Querschnittslähmung) nicht möglich, die Einwilligung zu unterschreiben, obwohl sie kognitiv entscheidungsfähig waren.

Aufgrund dieser Erfahrungen befassten sich die Forschenden mit der Möglichkeit einer mündlichen Einholung einer informierten Einwilligung. Da die Interviews ohnehin auf Tonband aufgezeichnet wurden, bot es sich an, die informierte Einwilligung im Rahmen des Interviews mitaufzuzeichnen, womit die von der DSGVO Art. 7 (1) geforderte Dokumentierung sichergestellt war1 (vgl. https://dsgvo-gesetz.de/art-7-dsgvo/). Bei der Einholung einer mündlichen Einwilligung besteht der Vorteil, dass sich die Informationsweitergabe einfacher zu einem Dialog entwickeln kann, bei dem individuell und flexibel auf (nonverbale) Signale und Rückfragen der Beteiligten reagiert werden kann. Somit kann ein intensiveres Verhältnis und ein tieferes Verständnis zwischen Forschenden und Erforschten etabliert werden, was Benner und Löhe wie folgt resümieren:

„Eine mündliche dialogorientierte Form zur informierten Einwilligung kann damit Vorteile zur Schriftform hinsichtlich ihres Kernzwecks erfüllen, weil der Anspruch einer umfassenden und verständlichen Informationsweitergabe besser gewährleistet werden kann“ (Benner & Löhe, 2019, p. 325), somit wird „die Einverständniserklärung wesentlich differenzierter und umsichtiger eingeholt“ (ebd. p. 354). 

Dabei ist die Einwilligung nur wirksam, wenn sie freiwillig erfolgt ist. Durch die mündliche Aufzeichnung, die mit der Aufnahme dokumentiert ist, kann diese Freiwilligkeit mitunter besser nachvollzogen werden als durch die Einholung in Schriftform, da die Stimme auf der Aufnahme verrät, dass die Zustimmung von der gleichen Person erfolgt ist, die im Interview hörbar ist. Dabei wird das Interview meist ohnehin transkribiert, sodass die Einwilligung auch schriftlich vorliegt und ggf. im Nachhinein unterzeichnet werden kann.

Die Forschenden empfehlen bei einer mündlichen Einholung die Gründe und Umstände, warum diese Form der Einwilligung gewählt wurde, schriftlich zu dokumentieren. Ebenso sollte die mündliche Einwilligung (genau wie die schriftliche) umfassende und verständliche Informationen zum Forschungsvorhaben und zur Verarbeitung der Daten enthalten. Dabei ist es aus Datenschutzgründen, die aufgezeichnete Einwilligungserklärung mit personenbezogenen Daten unverzüglich von der übrigen Interviewaufnahme zu trennen.

Das Beispiel von Benner und Löhe verdeutlicht, dass das schriftliche Einholen der informierten Einwilligung die Schaffung einer vertrauensvollen Gesprächsatmosphäre negativ beeinflussen kann und zudem bei Fällen physischer Beeinträchtigungen nicht angewendet werden kann. Es bleibt also im Vorfeld der Datenerhebung stets abzuwägen, welche Form der informierten Einwilligung – schriftlich oder mündlich – sich im jeweiligen Forschungskontext anbietet und geeignet ist.