Einführung
Im Rahmen von empirischen Forschungsvorhaben ist es in der Regel notwendig, eine informierte Einwilligung einzuholen, die die Teilnehmenden detailliert über das Forschungsvorhaben aufklärt und explizit deren Zustimmung einfordert. Die Einwilligung kann dabei in schriftlicher oder mündlicher Form eingeholt werden. Weil eine datenschutzrechtliche Nachweispflicht existiert, wird häufig jedoch die Schriftform empfohlen.
Die informierte Einwilligung erfüllt mehrere Zwecke: Zum einen ist sie Bestandteil datenschutzrechtlicher Anforderungen bei der VerarbeitungDer Begriff der 'Verarbeitung' ist definiert als 'jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;' (BlnDSG §31, 2020; EU-DSGVO Artikel 4 Nr. 2, 2016). Die Verarbeitung bezeichnet also jegliche Form der Arbeit mit personenbezogenen Daten, von der Erhebung bis zur Löschung. Weiterlesen personenbezogener DatenPersonenbezogene Daten sind: 'alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (betroffene Person) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser Person sind, identifiziert werden kann;...' (EU-DSGVO Artikel 4 Nr. 1, 2016; BDSG §46 Abs. 1, 2018; BlnDSG §31, 2020). Weiterlesen und schützt das Recht der/des Einzelnen, selbst über Preisgabe und Verwendung der gegebenen Informationen zu bestimmen. Der Datenschutz und der Schutz von Persönlichkeitsrechten sind somit eng an Aspekte der Anonymisierung oder Pseudonymisierung gekoppelt. Zum anderen ist sie ein wichtiges Prinzip forschungsethischer RichtlinieForschungsethik befasst sich mit dem Verhältnis zwischen Forschenden, Forschungsfeld und Beforschten. Dabei wird dieses Verhältnis vor dem Hintergrund der durch die Forschung hergestellten Vulnerabilitäten und Machtasymmetrien kritisch reflektiert (Unger, Narimani & M’Bayo, 2014, p.1-2). Gerade wegen der Prozesshaftigkeit und Offenheit einer ethnografischen Forschung treten forschungsethische Fragen im gesamten Forschungsprozess in verschiedener Weise auf. Sie variieren je nach Forschungskontext und Forschungsmethoden. Forschungsethik hört allerdings nicht mit dem Verlassen des Feldes auf, sondern umfasst ebenfalls Fragen der Datenarchivierung, des Datenschutzes sowie des Teilens der Forschungsdaten mit den Forschungsteilnehmenden (siehe z. B. Ethikpapiere der DGSKA oder das Positionspapier zur Archivierung, Bereitstellung und Nachnutzung von Forschungsdaten der dgv). Weiterlesenn und respektiert damit die Autonomie und Selbstbestimmtheit der Forschungsteilnehmenden. Die betroffenen Personen werden über die Zielsetzung und Methodik der Forschung/Studie, sowie über ihre Rechte und mögliche Risiken bei der Teilnahme aufgeklärt. Auf Basis dieser Informationen können die Forschungsteilnehmenden frei entscheiden, ob sie am Forschungsvorhaben teilnehmen wollen. Für Sozial- und Kulturanthropolog*innen ist es dabei grundsätzlich relevant, eine ethnozentrische Perspektive auf forschungsethische Aspekte zu vermeiden und die informierte Einwilligung in den jeweiligen Forschungskontext einzupassen.
Eine wirksame Einwilligung sollte folgenden Anforderungen genügen:
1) Informiertheit, Entscheidungskompetenz und Einwilligungsfähigkeit
Damit die betroffenen Personen ihr Recht auf Selbstbestimmung ausüben und mögliche Auswirkungen ihrer Einwilligung einschätzen können, müssen sie verstehen, was sie mit ihrer Unterzeichnung bestätigen. Die informierte Einwilligung sollte daher transparent, verständlich und der jeweiligen Zielgruppe entsprechend formuliert sein und sämtliche Informationen enthalten, ohne die betroffenen Personen zu überfordern oder abzuschrecken. Dabei sollten sprachliche, kulturelle und/oder altersbedingte Verständnisbarrieren berücksichtigt werden, um den Teilnehmenden eine wirkliche Entscheidung zu ermöglichen. Des Weiteren müssen gesetzliche Regelungen in Hinblick auf Mündigkeit beachtet werden. Bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland müssen die Erziehungsberechtigten bis zum sechzehnten Lebensjahr ihrer Kinder zustimmen. In diesen Fällen muss neben der Einwilligung der betroffenen Kinder und Jugendlichen auch die der Erziehungsberechtigten eingeholt werden. Für andere nationale Kontexte kann aufgrund der jeweils geltenden Gesetzgebungen die Lebensjahrgrenze der Jugendlichen variieren (Verbund FDB, 2019).
2) Freiwilligkeit
Die informierte Einwilligung ist nur dann wirksam, wenn sie ohne Zwang oder Druck gegeben wird. Forschungsteilnehmende sollten dabei frei wählen können, ob und wem sie die Datennutzung und ‑verarbeitung erlauben. Dafür gilt es, die betroffenen Personen darüber aufzuklären, dass die informierte Einwilligung jederzeit widerrufen oder gänzlich verweigert werden kann. Der Widerruf wird allerdings erst ab Aussprache wirksam, denn „bereits erfolgte Verarbeitungen personenbezogener Daten auf Basis einer wirksamen Einwilligung werden vom Widerruf nicht berührt“ (Schaar, 2017, p. 6).
3) Zweckgebundenheit
Die informierte Einwilligung erfolgt durch die Teilnehmenden für einen bzw. mehrere bestimmte Zwecke, die „so spezifisch wie nötig und so allgemein wie möglich“ (Verbund FDB, 2019, p. 6) benannt und formuliert werden sollten. Dadurch ergeben sich Einwilligungsoptionen, die den Teilnehmenden die Möglichkeit bieten, ihre personenbezogenen Daten auch über das aktuelle Forschungsprojekt hinaus, zum Beispiel für die Archivierung und Nachnutzung, zur Verfügung zu stellen. Ändern oder erweitern sich Zwecke während des Forschungsvorhabens gravierend (wenn sich z. B. eine neue Fragestellung ergeben hat) sollte ggf. eine neue, angepasste Einwilligung von den betroffenen Personen eingeholt werden. Es gilt, alle Schritte der (verschiedenen) Verwendungszwecke und der Datenverarbeitung transparent, vollständig und genau anzugeben, da es sonst zu Einschränkungen und Komplikationen in der Nutzung, der Archivierung oder auch der Nachnutzung der Daten kommen kann.
Es lässt sich zusammenfassend festhalten:
„Die informierte Einwilligung (informed consent) setzt voraus, dass Studienteilnehmer/-innen in die wesentlichen Aspekte des Forschungsvorhabens eingeweiht wurden, ihre Einwilligung zweckgebunden erfolgte und ihnen bekannt gemacht wurde, dass sie ihre – freiwillig erfolgte – Einwilligung jederzeit widerrufen können“.
(Trixa & Ebel, 2015, p. 12)